Paris c’est une femme
Plötzlich hält sie inne und lauscht, von irgendwoher weht Klaviermusik zu uns herüber. Sie sprintet los, auf der Suche nach der Musik, ich folge ihr wieder, untergehakt, und bin jetzt sehr dankbar für meine bequemen Schuhe.
Wir erreichen ein großes steinernes Tor, davor steht ein Flügel, angestrahlt von blauem Licht, die Tasten blau beleuchtet, ein Mann spielt versunken und selbstvergessen „La Foule“ und die Welt hört plötzlich auf, sich zu drehen. Wie verzaubert und atemlos bleiben wir stehen, bilden einen Kreis um den Mann am Flügel herum; Einheimische, Touristen, Menschen aus aller Herren Länder. Ich kann nicht tanzen und würde es gern, mit ihr… dann fällt mir plötzlich ein, dass sie heute Morgen gern hierher fahren wollte, und es einfach getan hat, statt darüber nachzudenken, ob sie es kann. Ich stelle meine Taschen ab, streife ihr die Tasche von der Schulter und lege ihr die Hand auf den Rücken; sie begreift sofort, was ich möchte. Es ist egal, ob die Schritte korrekt ausgeführt sind oder nicht, weil es sich einfach richtig anfühlt. Ich führe, sie folgt, sie ist Wachs in meinen Armen, ihr Blick ist blauglänzend und klar und offen und stolz, die Menschen machen uns Platz. Ihre Wange liegt an meiner, kühl und weich, viel zu nah für einen Walzer, ich fühle ihren Herzschlag an meiner Brust und ihre Wärme, ihre Zärtlichkeit, ihre Liebe, die von ganz tief in ihr nach oben steigt und durch ihre Fingerspitzen in meinen Körper zu strömen scheint.
Als das Lied endet, verbeuge ich mich kurz vor ihr, sie neigt generös den Kopf. Jetzt erst merke ich, dass die Leute einen Kreis um uns herum gebildet haben und applaudieren. Sie lacht hell auf, dann legt sie kurz die Hand über die Augen, als würde sie sich schämen, aber ich weiß, dass sie es nicht tut. „Vielen Dank, die Damen und Herren!“ bedankt sie sich artig mit einem Kopfnicken in die Runde, greift nach unseren Taschen und zieht mich weiter. „Hast Du das gesehen? Da hat gar keiner komisch geguckt!“ freut sie sich atemlos. Stimmt. Ich habe nur lächelnde Gesichter gesehen. Offensichtlich ist dies eine Stadt, in der jede Form von Liebe möglich ist. Ich sage ihr, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist. Erstaunt bleibt sie stehen. „Meinst Du wirklich?“ fragt sie wie ein Kind. „Probier es doch aus!“ grinse ich sie an. Noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob sie es wohl tun wird, schiebt sie sich an mich heran, unser Atem bildet Nebelwölkchen zwischen uns, ihre Augen sind so nah, dass ich nur noch ihr dunkles Glitzern sehe, und dann endlich senkt sich ihr warmer Mund auf meinen. Mitten auf der Straße, die Menschen müssen uns ausweichen, wir stehen einfach da. Ihr Kuss ist tief und dauert lange und ich spüre, wie ihr Körper reagiert, wie sich in ihr ausbreitet, was sie in der Öffentlichkeit niemals zugeben würde. Ihre Hände liegen auf meinem Hintern, meine unter ihrem Pullover auf ihrer nackten Haut. Kalt ist uns nicht mehr.
Nach gefühlten Ewigkeiten löst sie sich von mir, ich hätte gern stundenlang so weitergemacht. Ihre Lippen glänzen, ihre Augen noch mehr und ich weiß, dass sie Lust hat. Meine Knie sind zittrig und mir wird klar, dass es eine Notbremse in letzter Sekunde war. „Komm. Wir gehen ins Hotel“, flüstert sie. Die Menschenmassen strömen immer noch unbeeindruckt um uns herum…
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